Ablehnung von HIV-positiven Bewerber*innen für den Polizeivollzugdienst ist unhaltbar

(Hannover, 17. Juli 2019) Am morgigen Donnerstag verhandelt die 13. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover die Frage, ob ein Bewerber mit mehrjähriger therapierter HIV-Infektion und konstanter Viruslast unter der Nachweisgrenze für den Vorbereitungsdienst bei der niedersächsischen Landespolizei gesundheitlich geeignet ist. Der Kläger hatte sich Ende Oktober 2016 für die Einstellung als Polizeikommissar-Anwärter im Beamtenverhältnis auf Widerruf beworben. Die Polizeiakademie Niedersachsen lehnt dies ab und hält den Bewerber trotz gegenteiligen Sachverständigengutachtens und einer Viruslast unter der Nachweisgrenze für den Polizeidienst untauglich.

Die Aidshilfe Niedersachsen Landesverband e.V. (AHN) und die Deutsche Aidshilfe (DAH) begleiten diesen Fall seit geraumer Zeit. „Die morgige mündliche Verhandlung ist eine wichtige Etappe in diesem Prozess und dürfte bundesweit Signalwirkung haben. Wir hoffen, dass mit der Bestandsaufnahme und Zwischenbilanz durch Richter und Parteien ein deutliches Zeichen für die Gleichbehandlung, gegen die Ausgrenzung, Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit HIV gesetzt wird“, sagte AHN-Geschäftsführerin Christin Engelbrecht am Mittwoch in Hannover.

Keine plausiblen Gründe für eine Ablehnung

„Aus medizinischer Sicht spricht nichts gegen die Einstellung von HIV-positiven Menschen in den Polizeidienst oder in andere Berufe“, betont Prof. Dr. med. Matthias Stoll, Vorstandsmitglied der AHN, Leitender Oberarzt an der Klinik für Immunologie und Rheumatologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und Leiter der dortigen HIV-Ambulanz. HIV sei eine gut zu behandelnde chronische Erkrankung. Patienten hätten unter konsequenter antiviraler Therapie in der Regel eine ebenso hohe Lebenserwartung wie nicht Infizierte, seien weder infektiös noch in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt. „Es gibt keinen Grund, HIV-positive Menschen von welchen Berufslaufbahnen auch immer fernzuhalten“, sagt Stoll. Für ebenso wenig nachvollziehbar und begründet hält der Experte die Speicherung von gesundheitsbezogenen Einträgen in polizeilichen Datenbanken von Bund und Ländern. In Niedersachsen würden ca. 4.500 Bürger*innen mit Hepatitis- oder HIV-Infektionen unter dem Zusatz „ANST“ (ansteckend) geführt. Dies berge – nicht erst seit der möglichen Heilung von Hepatitis-C-Infektionen und der Nichtübertragbarkeit von therapierten HIV-Infektionen – das Risiko von Fehleinschätzungen und schüre die Stigmatisierung, kritisiert Stoll.

Breite Zweifel an Rechtmäßigkeit

Vieles spricht aus Sicht der Aidshilfen dafür, dass der Kläger aus Niedersachsen gute Aussichten auf einen für ihn zufriedenstellenden Ausgang des Verfahrens haben müsste: Der vom hannöverschen Verwaltungsgericht bestellte Gutachter sieht keinerlei Bedenken gegen eine Tätigkeit als Polizeibeamter. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes sind Benachteiligungen in der Erwerbstätigkeit wegen einer „symptomlosen HIV-Infektion“ grundsätzlich unzulässig. Das Bundesgesundheitsministerium hat ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des von den leitenden Polizeiärzt*innen des Bundes und der Länder im Frühjahr 2017 gefassten Beschlusses, HIV-positive Bewerber als dienstuntauglich einzustufen. Zuvor war der wehrmedizinische Beirat der Bundeswehr am 18. Januar 2017 aufgrund umfassender wissenschaftlicher Erkenntnisse zu dem Schluss gekommen, dass eine therapierte HIV-Infektion keinen Hinderungsgrund für die Einstellung, Dienstzeitverlängerung oder Übernahme in den Status „Berufssoldat bzw. Berufssoldatin“ darstellt.

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Termin mündliche Verhandlung (Aktenzeichen 13 A 2059/17)

Donnerstag, 18.07.2019, 12:00 Uhr

Verwaltungsgericht Hannover, Saal 3

Leonhardtstraße 15, 30175 Hannover

 

Die Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts zu diesem Fall finden Sie hier: https://www.verwaltungsgericht-hannover.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/einstellung-als-polizeikommissar-anwarter-bei-hiv-infektion-178819.html

 

Medienkontakt medizinische Fragen

Prof. Dr. med. Matthias Stoll

Vorstandsmitglied der AHN, Leitender Oberarzt an der Klinik für Immunologie und Rheumatologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und Leiter der dortigen HIV-Ambulanz

Pressestelle MHH Tel. 0511 / 532 67 72

Stoll.Matthias@mh-hannover.de

 

Medienkontakt AHN

Christin Engelbrecht

Geschäftsführung Aidshilfe Niedersachsen e.V. (AHN)

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engelbrecht@niedersachsen.aidshilfe.de, www.niedersachsen.aidshilfe.de

 

Die Pressemitteilung zum Download finden Sie weiter unten.

 

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